Systemisches Coaching aus der Coach-Perspektive
„Ich brauch doch kein Coaching!“
Das glaube ich, ist eine verbreitete Reaktion, wenn Menschen hören oder lesen, dass ich auch systemisches Coaching anbiete. In dem Moment bin ich geneigt, darüber zu schreiben, was systemisches Coaching eben alles nicht ist, um hervorzuheben, was es alles sein kann. Das ist aber so gar nicht lösungs- und ressourcenorientiert. Und Lösungs- und Ressourcenorientierung ist einer der wichtigsten Leitgedanken des systemischen Coachings. Daher versuche ich mein Verständnis von systemischem Coaching lösungs- und ressourcenorientiert darzustellen.
Systemisches Coaching – und das Adjektiv ist dabei sehr wichtig – hat den klaren Anspruch Kundinnen und Kunden weiterzubringen. Und meine Kundinnen und Kunden sind „kundige Kunden“ in ihren Systemen, also wahre Experten ihrer eigenen fachlichen Anliegen. Bei der Versuchung meine Fachmeinung zu einem Thema an Kundinnen und Kunden abzugeben, taucht in meinem Verständnis von systemischem Coaching sofort eine große Stopp-Tafel auf. Denn das ist eben nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, einen Rahmen zu setzen, der es meinem Gegenüber ermöglicht aus dem dargebrachten Anliegen für einen Moment auszusteigen. Und dafür gibt es viele Möglichkeiten.
Grundsatz dafür ist der radikale Konstruktivismus in Kombination mit unseren Coaching-Leitlinien: kooperieren, reflektieren, öffentlichen machen und respektieren. Diese Leitlinien sind aus meiner Sicht, wenn man sich etwas näher damit beschäftigt, in ganz vielen Bereichen unseres täglichen Lebens ausgezeichnet einsetzbar. In privaten und beruflichen Beziehungen aller Art wird viel zu oft zu wenig kooperiert, reflektiert, öffentlich gemacht (nämlich was man gerade wirklich denkt) und respektiert. Dabei gibt es aber auch einen klaren Unterschied zwischen Respektieren und Akzeptieren. Was ich respektiere, das muss ich noch lange nicht akzeptieren.
Zurück zum Konstruktivismus. Ohne Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit bedeutet „radikaler Konstruktivismus“ für mich, dass jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit hat. Die universelle Wirklichkeit, die einzige Wahrheit existiert damit nicht. Dies gilt es zu respektieren und als Anregung zum Kooperieren zu verstehen. Gleichzeitig bietet sich so gleich die Möglichkeit, Kundinnen und Kunden zum Perspektivenwechsel anzuregen. Im systemischen Coaching arbeiten Coaches sehr häufig mit wechselnden Perspektiven. Wir versuchen es unserem Gegenüber zu ermöglichen, das beschriebene Anliegen von außen, durch eine andere Brille, zu betrachten. Um diesen Perspektivenwechsel zustande zu bringen braucht es mal mehr, mal weniger Intensität und deshalb achte ich ganz besonders auf die Angemessenheit der Coaching-Situation. Es muss sich einfach richtig anfühlen. Kundinnen und Kunden dürfen sich keinesfalls mit einer Frage oder Aktion des Coaches überfordert fühlen. So kann eine zirkuläre Frage angemessen sein, beispielsweise: „Nur mal angenommen, es könnte uns Ihr Partner/Ihre Partnerin gerade hören und sehen, und wir würden sie/ihn fragen, was er/sie darüber denkt. Was würde er/sie dazu sagen?“ Und schon nimmt das Gegenüber eine andere Perspektive ein und erlebt eine neue Sichtweise auf sein Anliegen. Mein Gefühl kann aber auch eine ungewöhnlichere Art des Perspektivenwechsel als angemessen empfinden. Dann frage ich zum Beispiel, ob mein Gegenüber die beschriebene Team-Situation mit kleinen Figuren auf einem Spielbrett aufstellen möchte, um die Konstellation und mögliche Veränderung direkt zu erfahren. Mit diesen und vielen weiteren Techniken ist der Coaching-Werkzeugkasten prall gefühlt.
Hinzu kommt in meinem Verständnis des systemischen Coachings noch ein ganz wesentlicher Gedanke. „Sprache schafft Wirklichkeit“, sagte Paul Watzlawick, einer der Urväter des systemischen Coachings. Daher haben wir Coaches gelernt, in Lösungen zu sprechen, anstatt in Problemen. Wir versuchen unsere Fragen in die Zukunft zu stellen, orientieren unsere Sprache im systemischen Coaching ganz nach den vorhandenen Ressourcen und wollen, so schnell wie es die Angemessenheit der Situation zulässt, unsere Kundin/unseren Kunden aus ihrem/seinen „Anliegen-Wald“ auf die Lichtung des Zieles bringen.
Für mich ist systemisches Coaching eine unglaublich spannende Thematik, die nicht nur unsere Kundinnen und Kunden hoffentlich mit jeder Einheit ein Stück weiterbringt, sondern auch für mich als Coach jedes Mal wieder lehrreich ist.
DI (FH) Mathias Schrabacher hat seine Ausbildung im systemischen Coaching nach dem Kieler Modell bei der European Systemic Business Academy (ESBC) in Wien absolviert und ist dort aktuell Teil der „Coaching Masterclass“. Bereits vor der Gründung seines Unternehmens, dem Ingenieurbüro DRIMAS, hat er sich intensiv mit systemischem Coaching befasst. Er nutzt seine Kompetenzen im systemischen Coaching in der tagtäglichen Arbeit und steht auch gerne für individuelle Coaching-Einheiten zur Verfügung.
Coaching findet bei DRIMAS ausschließlich im beruflichen Kontext statt. Wir wollen Menschen in beruflichen Fragestellungen und Anliegen dabei helfen, ihre eigene Lösung zu entwickeln. Sollte sich im Laufe der Coaching-Einheit herausstellen, dass es auch oder ausschließlich Anliegen im privaten Bereich gibt, so helfen wir gerne mit Kontakten zu Spezialisten in diesem Gebiet. Wir maßen uns aber nicht an, private Anliegen zu thematisieren. Selbstverständlich unterliegt alles was in einer Coaching-Einheit gesagt wird unserer Verschwiegenheitspflicht.